Stand der Züchtung bei Erbsen und Bohnen

Ulrich Quendt (LLH) und Werner Vogt-Kaute (Naturland-Beratung) im Gespräch mit Kerstin Spory (FiBL Projekte
GmbH) - alle arbeiten zusammen im Demonstrationsnetzwerk Erbse/Bohne (DemoNetErBo).
Aufgrund der relativ geringen Anbauzahlen und den damit einhergehenden geringen Saatgut-umsätzen von
Körnerleguminosen wurde der Züchtung von Ackerbohnen und Körnererbsen in den letzten Jahren relativ wenig
Aufmerksamkeit gewidmet. Das DemoNetErBo setzt sich seit 2016 dafür ein, dass die beiden Kulturen bei
Anbauern und Züchtern wieder stärkere Beachtung erlangen und die Anbauzahlen wieder steigen. So wurden
beispielsweise auf Demonstrationsflächen im Rahmen der Öko-Feldtage 2019 vom DemoNetErBo zahlreiche
neue Sorten von Sommererbsen und -Ackerbohnen sowie Winterungen vorgestellt.

Welche Verbesserungen bringen die neuen Ackerbohnen- und Erbsensorten mit?

Quendt: Bei den neuen Sorten ist ein Zuchtfortschritt deutlich erkennbar, z.B. an
den Erträgen. Da Erbsen und Ackerbohnen sich selbst mit Stickstoff versorgen und
zur Stickstoffbindung Energie von der Pflanze bereitgestellt werden muss, gehen
Ertragssteigerungen bei Leguminosen jedoch langsamer voran. In den Merkmalen
Krankheitstoleranz, Wuchshöhe und Standfestigkeit zeigen die neuen Sorten auch
deutliche Verbesserungen. Zudem gibt es auch Sorten, die neue Eigenschaften
mitbringen wie z.B. Tanninfreiheit oder Vicin-/Covicinarmut bei Ackerbohnen.
(Ulrich Quendt hat vor seiner Tätigkeit als Koordinator des DemoNetErBo bei der
Cultivari Getreidezüchtungsforschung Darzau an der Züchtung von Winter- und
Sommerkörnererbsen gearbeitet)

Wer beschäftigt sich aktuell mit der Züchtung der beiden Leguminosen?

Vogt-Kaute: Einige Züchter betreiben Erhaltungszuchtprogramme in Deutschland oder im angrenzenden Europa. Das einzige, eigene Zuchtprogramm für Sommer und Winterformen von Körnererbsen und Ackerbohnen in Deutschland betreibt die Norddeutsche Pflanzenzucht (NPZ) in Kooperation mit der französischen Firma RAGT. Dabei werden die Neuzüchtungen in Deutschland sowie in anderen EU- und nicht EU-Ländern ausgiebig getestet. Bei den Ackerbohnen findet zusätzlich zu den Züchtungsprogrammen der NPZ und der Saatzucht Petersen Forschung an der Universität Göttingen statt. Hier besteht sicherlich noch „Luft nach oben“. Mehr öffentliche Forschungsprojekte zu Erbsen wären notwendig. Der Sojabohne wurde in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit geschenkt, die Diversität der Körnerleguminosen hingegen leider vernachlässigt.
(Werner Vogt-Kaute beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Förderung des Körnerleguminosenanbaus und betreibt auf seinem Betrieb Erhaltungs- und Neuzüchtung von Wintererbsen und einer Ackerbohnen-Population)


Quendt: Es gibt bisher wenige Zuchtprogramme, die die Bedürfnisse des ökologischen Landbaus im Auge haben.
Aus dem Zuchtprogramm der Getreidezüchtungsforschung Darzau wurde erstmals 2019 eine neue Wintererbse
zugelassen.

Welche Forschungsprojekte zur Züchtung von Erbsen und Bohnen gibt es?

Vogt-Kaute: Zur Kombination von Winterhärte und Vicinarmut gibt es seit 2016 das Verbundprojekt
AboVici. Hierbei soll erstmals eine Winterackerbohne gezüchtet werden, die arm an Vicin und Convicin
ist. Auch das DemoNetErBo ist in dieses Projekt eingebunden. Auf Demobetrieben werden hierbei
Schauversuche mit Versuchssaatgut durchgeführt (https://www.uni-goettingen.de/de/abo-vici-projekt-30-märz-
2017/559637.html).
Im Rahmen des Projektes IMPAC³ geht es um die Förderung des Mischanbaus in Ackerbau, Grünland
und Forst, um die alte Praxis der Mischkultur wieder in moderne Anbausysteme zu integrieren und
mehr Vielfalt auf die Äcker zu bringen. Im Bereich Ackerbau wird getestet, welche
Winterackerbohnensorten am besten für den Mischanbau mit Winterweizen geeignet sind
(https://www.uni-goettingen.de/de/528191.html).
International gibt es zum Beispiel das ProFaba-Projekt, bei dem verbesserte Zuchtpraktiken und Sorten
von Ackerbohnen entwickelt werden, um die heimische Proteinproduktion in der Europäischen Union
voranzutreiben (https://www.suscrop.eu/projects-first-call/profaba) oder in Dänemark das NORFAB-Projekt, bei dem
neue Ackerbohnensorten für Dänemark gezüchtet werden, um importiertes Sojaprotein zu ersetzen
(http://mbg.au.dk/en/news-and-events/news-item/artikel/nye-hesteboennesorter-til-dansk-produktion-af-protein/)

Stehen ausreichend Sorten für den Anbau in Deutschland zur Verfügung?

Quendt: Im Vergleich zur Sortenvielfalt bei den Hauptkulturen, stehen bei den Körnerleguminosen
wenige Sorten zu Verfügung. Aber im Verhältnis zur geringeren Körnerleguminosen-Anbaufläche
können wir auf eine gute Auswahl an Sorten bei Ackerbohnen, Erbsen, Lupinen und Soja zurückgreifen.
Es werden immer mehr Sorten angeboten. von denen die wenigsten jedoch in Deutschland gezüchtet
wurden. Verschiedene Kooperationen zwischen den Züchtern, Handelsorganisationen und der
Forschung werden genutzt, um neue Sorten in den deutschen Markt einzuführen. Von Vorteil ist hier
der europäische Binnenmarkt: Wenn eine Sorte in einem Mitgliedsstaat zugelassen ist, ist diese
unmittelbar in jedem anderen EU-Staat zugelassen - also auch in Deutschland. Das erweitert das
verfügbare Sortenportfolio - insbesondere für kleinere Kulturen. Nachteilig ist allerdings, dass nur die
in Deutschland gezüchteten Sorten auch in den Landessortenversuchen getestet werden. Von den
sogenannten EU-Sorten wird nur ein kleiner Teil der verfügbaren Sorten auf verschiedenen Standorten
in Deutschland getestet. Im Netzwerk haben die teilnehmenden landwirtschaftlichen Betriebe die
Möglichkeit, Sortendemos für Feldtage anzulegen. Vom DemoNetErBo haben wir hierfür
Versuchssaatgut organisiert. Interessant war, dass dabei auch Sorten von den landwirtschaftlichen
Betrieben nachgefragt wurden, die nicht in den Landessortenversuchen standen. Sorten, die sich
scheinbar durch den praktischen Anbau als für den Standort geeignet erwiesen.

Vogt-Kaute: Bei einigen Arten wie Wintererbsen gibt es praktisch keine Landessortenversuche, weil
diese aus anderen EU-Ländern stammen, so dass es immer wieder zu falschen Sortenempfehlungen
aufgrund der fehlenden Teilnahme an den Landessortenversuchen kommt.

Welche Vorteile bietet der Anbau von Winterungen und welche Bedeutung hat deren Anbau bisher in Deutschland?

Quendt: Winterungen sind für Trockenstressstandorte recht gut geeignet, da sie das Wasser besser nutzen können. Sie haben im Frühjahr einen Wachstumsvorsprung im Vergleich zu Sommerungen, kommen früher zur Blüte und reifen früher ab. Mit Frühsommertrockenheit kommen sie daher relativ
gut zurecht. Auf schweren Böden, die im Frühjahr schwer bearbeitbar sind, können
Winterackerbohnen eine sinnvolle Alternative sein. Wintererbsen werden insbesondere im
ökologischen Anbau am besten im Gemenge mit einem Getreidepartner angebaut, da die
Standfestigkeit bei den hochwüchsigen Sorten nicht gegeben ist und die kurzwüchsigen Sorten vomUnkraut überwachsen werden. Im Gemengeanbau sind Winterkörnerleguminosen eine interessante Kultur,

Werden im Hinblick auf klimatische Veränderungen in Zukunft voraussichtlich mehr Winterungen bei Erbsen und Ackerbohnen angebaut?

Vogt-Kaute: Der Anbau von Wintererbsen und Winterackerbohnen ist in Deutschland bisher noch nicht so weit verbreitet, aber es gibt eine klar steigende Tendenz. Gerade auf den klassischen Ackerbohnen-Standorten in Süddeutschland haben die Sommerackerbohnen zum zweiten Mal hintereinander aufgrund der Trockenheit enttäuscht. Hier ist das Interesse an Alternativen am größten. Glücklicherweise kommen gleichzeitig neue verbesserte Winterackerbohnen auf den Markt. Die Winterhärte der Sorten ist aber weiterhin verbesserungswürdig. Biolandwirte und –landwirtinnen können in der Fruchtfolge aber nicht ausschließlich auf Winterungen setzen, da sonst die Gefahr besteht, dass bestimmte Unkräuter, z.B. Ackerfuchsschwanz, überhandnehmen.

Wo liegen derzeit noch die größten züchterischen Herausforderungen, um Erbsen und Ackerbohnen noch interessanter für den Anbau zu machen?

Quendt: Den Kornertrag und den Proteingehalt der Körnerleguminosen zu steigern, hat weiterhin höchste Priorität. Ein wesentliches Merkmal ist dafür die Ertragssicherheit bzw. -stabilität. Wenn das vorhandene Ertragspotenzial jedes Jahr ausgenutzt werden könnte, wäre das schon ein enormer Gewinn. Dafür müssten die Ansätze zur Verbesserung der Krankheits- und Schädlingstoleranz sowie der Standfestigkeit weiterentwickelt werden. Aber auch eine Hitzetoleranz oder gleichmäßige Abreife
bei feuchter Witterung tragen zur Ertragsstabilität bei. Darüber hinaus können auch der Anbau von Sorten- oder Kulturartenmischungen sowie Populationen zur Ertragssicherung beitragen. Also eine Kombination aus pflanzenzüchterischen Merkmalen und einem verbesserten Anbau. Dazu gibt es noch viele offene Fragen und entsprechenden Forschungbedarf. Züchtung ist ein permanenter Prozess, der
nicht mit der gerade besten Sorte endet. Daher müssen kontinuierlich Zuchtprogamme weitergeführt werden, um die Pflanzen an die sich ständig verändernden Umweltbedingungen anzupassen. Hierfür braucht es Züchter und natürlich auch finanzielle Ressourcen. Vogt-Kaute: Bei den Winter-Körnerleguminosen ist die Verbesserung der Winterhärte, besonders bei den Ackerbohnen, ein Thema. Gleichzeitig müssen immer auch die Erträge steigen, um mit
konkurrierenden Kulturen wettbewerbsfähig zu bleiben. Grundsätzlich gibt es schon den Trend zur Auflockerung der Fruchtfolgen, die auf vielen Standorten überreizt wurden. Natürlich gibt es immer wieder neue Probleme, auf die Züchter reagieren müssen. Dazu gehörten in den letzten Jahren zum Beispiel Nano-Viren. Glücklicherweise scheint es hierbei zumindest bei den Ackerbohnen Sortenunterschiede in der Anfälligkeit zu geben. Die Betriebe sollten die Körnerleguminosen anbauen, die auf ihrem Standort am besten passen. Es gibt ja eine schöne Auswahl von den Erbsen und Ackerbohnen über Lupinen bis zu Wicken, Linsen und Sojabohnen. Alle Körnerleguminosen sollten züchterisch gezielt bearbeitet werden.